Artikel Psychotherapie  

Peter F. Schmid

World Association for Person-Centered and Experiential Psychotherapy and Counseling
Das Selbstverständnis. Die neuen Statuten.

© PERSON 2 (2000) 62-64

Zusammenfassung | Abstract
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Zusammenfassung

Die Präambel, die Prinzipien und die Ziele der definitiven Statuten des „Weltverbands für Personzentrierte und Experienzielle Psychotherapie und Beratung“, wurden nach ausführlicher Diskussion von der letzten Generalversammlung in Chicago im Juni 2000 ebenso einstimmig beschlossen wie die Änderung des bisherigen, provisorischen Namens des Weltverbandes. Das Europäische Netzwerk schloss sich an.[1]

Stichwörter

Weltverband, Europäisches Netzwerk, Personzentrierte Psychotherapie, Experienzielle Psychotherapie, Humanistische Psychotherapie.

"Personzentriert" und "experienziell". Auf die kürzest mögliche Formel gebracht, lässt sich das Ergebnis des intensiven Diskussionsprozesses um Grundlagen, Selbstverständnis und Politik vor und während der ersten regulären Generalversammlung im Rahmen der 5. Internationalen Konferenz (5th ICCCEP) in einem einzigen Wörtchen zusammenfassen: "und".

In der grundsätzlichen Auseinandersetzung um Menschenbild, Identität und Zielsetzungen unter den mehr als hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus der ganzen Welt wurde auch um eine zutreffende Namensbezeichnung gerungen. In bewusster Abgrenzung ver­schie­dener Konzepte wurde festgehalten, dass "personzentriert" und "experienziell" unterschiedliche Ansätze darstellen, wenngleich deren Verhältnis von verschiedenen Personen sehr kontrovers gesehen wird. Deshalb wurde es als notwendig empfunden, den provisorischen Namen des Weltverbands, der nur „personzentriert" enthalten hatte, zu verändern. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass "personzentriert“ als Dachbegriff für alle Ansätze verstanden wird, die sich irgendwie auf Rogers, Gendlin und experienzielle Konzepte verschiedener Herkunft berufen. Auch die Namensbezeichnung mit einem Schrägstrich — "person-centered/experiential" — konnte sich nicht durchsetzen. Diejenigen, die den Schrägstrich als Zeichen für eine Austauschbarkeit der Begriffe verstanden, wollten ein solches Missverständnis vermieden sehen. Das Wörtchen „und“ im Titel wurde schließlich von allen akzeptiert.

"Und" bezeichnet einerseits den Unterschied: Sowohl die personzentrierte als auch die experienzielle Seite haben sich damit gegen die Anwen­dung der Bezeichnung „personzentriert“ (quasi als Überbegriff) auch für experienzielle Ansätze entschieden. Die Präambel der neuen Statuten hält ausdrücklich fest, dass es sich um unterschiedliche Paradigmata handelt und zwi­schen personzentrierten Ansätzen einerseits und experienziellen andererseits unter­schieden wird. Als Begründung für die Entscheidung wurde unter anderem angeführt, dass die Unterschiede in Anthropologie und Therapietheorie und –praxis eine Be­griffs­unter­scheidung nach innen und außen erforderlich machen. (Dabei wurde im Übrigen – eben­so konsensuell – in den Statuten des Weltverbandes und im Namen der künftig von ihm veranstalteten Konferenzen auch der Begriff „klientenzentriert“ durch den Begriff „personzentriert“ ersetzt. Die Konferenz, bislang "ICCCEP – International Conference for Client-Centered and Experiential Psychotherapy", wird künftig "PCE Conference" heißen: "World Conference for Person-Centered and Experiential Psychotherapy and Counseling".) 

"Und" bringt andererseits die Verbindung und Zusammengehörigkeit zum Ausdruck. In der Präambel wird deutlich gemacht, dass die Beziehung der verschiedenen Ansätze zueinander sich in ständiger Entwicklung und Diskussion befinden und Vertreter aller Ansichten im Weltverband ihren Platz haben: jene, die die beiden von ihren Grundlagen her als unvereinbar ansehen, ebenso wie jene, die der Auffassung sind, es handle sich bloß um verschiedene Suborientierungen. Die Unterschiede sollen also ebenso betont werden, wie über das Verhältnis zueinander fortgesetzter Dialog angesagt ist. Nicht, um einander zu „bekehren“ oder zu überzeugen; die Auseinandersetzung in Theorie und Praxis kann vielmehr gerade dazu beitragen, das jeweils Eigene weiter zu entwickeln. Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit auch „nach außen“ hin ein Gebot der Stunde. Zusammen mit anderen humanistischen Ansätzen stellen die Personzentrierte wie die Experienzielle Psychotherapie jedenfalls eine Abgrenzung gegen psychoanalytische, verhaltenstherapeutische und systemische Paradigmata dar. Mit der Zusammenfassung beider Konzepte in einem Dachverband wurde also eindrucksvoll die Notwendigkeit und Bereitschaft zur Kooperation auf verschiedenen Gebieten unterstrichen wie ein unübersehbares Signal und Lebenszeichen der humanistischen Orientierung in Psychotherapie und Beratung gesetzt.

Das Europäische Netzwerk hat bei seiner letzten Generalversammlung im November 2000 in Salgótarján in Ungarn gleichfalls seinen Namen geändert und Präambel und Prinzipien des Weltverbands gleichlautend übernommen. Es heißt jetzt Network of the European Associations for Person-Centred and Experiential Psychotherapy and Counselling (NEAPCEPC).

Für Österreich und seine Vereinslandschaft — ebenso wie für diejenige im gesamten deutschsprachigen Raum — ist damit ein Standard vorgegeben, der Auseinandersetzung und Zusammenarbeit auch hier nach einfachen und klaren Grundsätzen regeln könnte: Die Unterschiede in der Tradition des je Eigenen und im Selbstverständnis nicht ignorieren, sondern im Gegenteil: festhalten und durch Dialog fruchtbar machen; die Gemeinsamkeiten jedoch zur Kooperation nützen und zur Auseinandersetzung mit anderen Orientierungen und anderen politischen Konzepten.

Anmerkung

[1] Zur Geschichte und Zielsetzung beider Verbände vgl. die Dokumentationen in PERSON 2 (1997), 1 (1999) und 2 (1999).

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