Johanna Uljas–Lutz

Und Maria von Magdala lachte ...
Eine Geburtstagspredigt

Wien, 20. Mai 2000

Ein Fest, ein großes Fest eignet sich wahrscheinlich am besten zum Aufspüren der gewichtigen Dinge im Leben.

Die Frauen und Männer, die vor zweitausend Jahren die neue Form des gelebtem Erzählens, das Evangelium, in ihren Festen, beim Singen und beim miteinander Essen entwickelten, die verstanden es einfach. Und sie lebten auch danach: das Jenseits ist nur unter uns spürbar – der Himmel geschieht unter uns; alles andere sind Gedankenspiele und Spekulationen, oft spannend und anregend, aber schon weiter weg vom Leben.

„Das  Jenseitige ist nicht das unendlich Ferne, sondern das Nächste.
Letzter Ernst ist nie ohne eine Dosis Humor."
Das sagte Dietrich Bonhoeffer.

Es gibt bei diesem Thema auch kein Gestern und Morgen – nur das, was sich in der Gegenwart ereignet.

Heute, hier, sieht es mit dem Jenseits für mich folgendermaßen aus:

Peter F. Schmid kommt an die Himmelspforte  und klopft an: Die Tür geht auf, aber Peter erblickt nicht Petrus, sondern eine Frau, zunächst namenlos, wie so viele biblische Frauengestalten. Peter ist zunächst verblüfft. Die Frau lächelt freundlich und fragt: „Peter, du erkennst mich nicht?“ Wildes, kreatives Durcheinander in Peters Kopf, immer wieder kehrt der alte Witz, wo von Gott berichtet wird „she is black“  zuerst als Idee, dann als These und zum Schluss als Sicherheit in sein Bewusstsein: Hier herrscht also doch ein anderes Regime. „Wenn du nicht Petrus bist... musst du... musst du... als Torwächterin... „... Maria von Magdala sein“, ergänzt die Frau . „Auch du hast den Petrus erwartet? Er war sehr froh, endlich andere Dinge unternehmen zu können... Was willst du Peter?“

„Ich will hinein, in den Himmel, hinein wollen wir doch alle...“ Die Worte verlieren sich in Bedeutungslosigkeit.

Maria aus Magdala scheint auf irgend etwas zu warten, aber es gibt keine Stichwörter, keine Publikationslisten, kein Buch der gesammelten Lebenstaten, in dem sie nachschauen könnte.

Peter erinnert sich an: Ich Marietta, du Jane“ und schweigt. Wo ist die Definitionsmacht eines scharfen Denkers, wo ist die Sicherheit eines erfahrenen Lehrers... Er sucht und sucht. Bilder, Gerüche, Erinnerungen an seine Tochter, seine Frau und viele andere schwirren zwischen Peter und Maria wie ein emsiger Bienenschwarm.

Maria von Magdala spricht: „Was soll  ich mit dir?“ Lächeln lässt ihre dunklen Augen wie tausend Sterne funkeln:

„Ich muss deine Tradition in Frage stellen – Männer deiner Kirche und aller Kirchen haben bis zum Schluss an der Geschichte von Petrus als einzigem legitimen Nachfolger des Meisters festgehalten. Mein Name wurde beinahe ausgelöscht, und die Evangelien, die von mir berichten, wurden als zweitrangig eingestuft... Aber ihr Männer – ihr habt aber auch das Fegefeuer zwischen Himmel uns Erde erfunden – das Feuer also soll uns als weiterhelfen."

Peter befindet sich in einer Hütte. Es handelt sich um eine sehr primitive Küche. Szenario von einer matriarchalischen Insel an der Küste Westafrikas: Auch die Hitze, auch die Fliegen sind dabei und unendliche Türme von Kochgeschirr, das mit einem Reisigbündel zu reinigen ist. Mitgefangen sind ein Jurist und ein Psychoanalytiker. Die Männer arbeiten in der dunklen Küche, murren, scheuern, analysieren: Die Unrechtmäßigkeit dieser Situation würde von jedem Gericht erkannt werden ,und die scheinbare Herrschaft der Frauen im Jenseits muss eindeutig als eine Schuldprojektion einer männlichen Seele definiert werden. Sie reden und reden und scheuern ihre Töpfe und planen ihre gezielten Fragen an die Maria, sobald sie nur erscheinen wird.

Nach einer Ewigkeit fallen dem Juristen keine Gesetze mehr ein, und der Analytiker kann keinen Vater mehr zitieren, und eine Stille kehrt in die Hütten ein, nur das Schrubben und Scheuern ist zu hören. Und Peter hört plötzlich ein Tanzen und Singen... Viele Menschen singen unbekannte, aber ansprechende Lieder. Als er aufschaut, stellt er fest, dass es eine offene Tür gibt, offen in den duftenden schönen Abend. Und viele sitzen um einen großen Tisch herum, essen, trinken und singen und unterhalten sich bestens in allen Sprachen.

Peter findet einen Platz, singt mit, und unter den vielen exotische Gerichten entdeckt er seine Lieblingsspeisen. Er amüsiert sich bestens, und irgendeinmal sitzt die Maria neben ihm. Peter hat nur mehr eine Frage: „Kann das denn das ehrenwerte Leben sein?“

Und die Maria von Magdala lachte...

Mag. Johanna Uljas–Lutz ist evangelische Pfarrerin und Personzentrierte Psychotherapeutin und Supervisorin in Wien, Mitglied und Lehrtherapeutin im Institut für Personzentrierte Studien, Unterrichtstätigkeit an der Sozialakademie der Gemeinde Wien und der Religionspädagogischen Akademie.

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